Schnatgang der Bürgerinitiative Blotenberg

Exotische Geste: Ethnologe Professor Ivo Strecker mit einem Woko-Stab, der in Äthiopien auch als Was-Stab bekannt ist. Er soll den Geist des Guten beschwören – auch für die Bürgerinitiative und deren Vorsitzende Ursula Reinsch (rechts). Fotos: F. GONTEK

Exotische Geste: Ethnologe Professor Ivo Strecker mit einem Woko-Stab, der in Äthiopien auch als Was-Stab bekannt ist. Er soll den Geist des Guten beschwören – auch für die Bürgerinitiative und deren Vorsitzende Ursula Reinsch (rechts). Fotos: F. GONTEK

Von Florian Gontek – Werther. Ivo Strecker (73) war ganz kurzfristig von der »Blotenberg Initiative« als einer von fünf Rednern für den gestrigen Schnatgang engagiert worden. Es waren zwar zweifellos andere, die mit großen Inhalten über die Pläne zum Baugebiet Blotenberg aufwarten konnten, Strecker jedoch unterstützte das Bemühen der Initiative durch ein äthiopisches Geisterbeschwörungsritual.

Der Schnatgang war schon ein paar Minuten alt. Die Vorsitzende der Bürgerinitiative, Ursula Reinsch, hatte zu Beginn der Wanderung am Busbahnhof in Werther noch einmal die wesentlichen Ziele der Gegner des Baugebiets erläutert: Erhaltung des Blotenbergs als Ackerfläche, die Erhaltung dieses Teils der Bielefelder Straße als Grenze zwischen Ackerland und Stadtgebiet und die Bewahrung des Hofes Overbeck. Die Position der Bürgerinitiative war also klar für die 80 Schnatgänger, die sich am Sonntagmorgen formiert hatten, um sich das potenzielle Baugebiet noch einmal anzusehen.

Erste Station war mit dem Hof Overbeck, 1856 erbaut, „eines der ersten Steingebäude Werthers“, wie Emanuel Hübner (34), studierter Historiker, Archäologe und Denkmalpfleger, den Anwesenden erläuterte. Er unterstrich den historischen Wert des Gebäudes, das bis auf die Ergänzung zweier Garagentore noch immer in seinem Ursprungszustand sei.

Derzeit, so Hübner, sei der Landschaftsverband Westfalen- Lippe als Fachbehörde dabei, zu beurteilen, ob das Hauptgebäude des Hofes unter Denkmalschutz gestellt werden könnte. Mit einer positiven Antwort der Experten wird derzeit täglich gerechnet. Sie wäre Wind in den Segeln der Blotenberg- Initiative und würde die städtischen Bebauungspläne vor neue Herausforderungen stellen, glaubt man Dr. Lutz Hoffmann, zweiter Vorsitzender der Bürgerbewegung.

Hoffmann bezeichnete in seinem Statement am Eingang des Blotenberg-Weges den Hof Overbeck in seinem derzeitigen Zustand als Schandfleck. Nach Schätzungen des Bielefelder Architekten Heinrich Martin Bruns, der ebenfalls anwesend war, müsste mindestens eine Million Euro in die Instandsetzung des Hofes investiert werden.

Pläne für eine Nutzung des etwa 650 Quadratmeter großen Gebäudes gäbe es genug. Bruns habe laut Hoffmann schon vor einigen Jahren Ideen für ein Gesundheitszentrum, einen zentralen Kulturplatz, ähnlich der Haller Lederfabrik, oder eines Bio- Supermarktes ins Spiel gebracht. Auch die Nutzung als Standort für einen Kindergarten sei weiter im Gespräch.

Heinrich Martin Bruns, erst von der Bürgerinitiative als Mann für ein kurzes Statement angekündigt, wollte sich dann doch nicht mehr äußern. Stattdessen tat das Ethnologe Ivo Strecker (73), der seinen Lehrstuhl bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2005 am Institut für Ethnologie- und Afrikastudien der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz hatte.

Strecker lobte das Engagement der Bürgerinitiative für „etwas zu kämpfen, das nicht sein soll“. Er selbst unterstützte die Initiative nicht nur mit Worten, er brachte auch einen Kraftbeschwörer aus Afrika mit. Den sogenannten Woko-Stab hatte Strecker bei einer seiner vielen Reisen nach Äthiopien im Süden des Landes im Jahr 1970 kennengelernt. „Dieser Stab soll den Geist des Guten beschwören“, erklärte er.

Von seinem Redeplatz im Wald mit Blick auf Ackerland, den Hof Overbeck und das Wertheraner Stadtgebiet schwor er die Bürgerinitiative ein, weiter für ihre Ziele zu kämpfen.

Das tut Marion Ernsting von der Gemeinschaft für Natur- und Umweltschutz des Kreises Gütersloh schon lange. Bereits vor gut zehn Jahren stellte sie im Wertheraner Rathaus unter dem Titel »Landschaft im Wandel« zum Thema Verbrauch von Freiflächen aus. Den Stadtplanern bescheinigt sie mit Bezug auf das geplante Baugebiet Blotenberg fehlendes Augenmaß. Gerade für folgende Generationen sei die Nutzung des Ackerlandes als Baufläche nur wenig sinnvoll. Den heimischen Landwirten kreidete Ernsting an, sich nicht genügend gegen die Verbauung des Ackerlandes zur Wehr zu setzen.

Als letzter Redner des etwa einstündigen Schnatganges erläuterte Landwirt Joachim Meyer zu Theenhausen am Hof Venghaus, warum dies so sei. Der Preis für einen Quadratmeter Ackerboden sei immer noch „unglaublich billig“. Und dabei sei gerade der Acker ein viel komplexeres Ökosystem als zum Beispiel der Wald, der in der Öffentlichkeit jedoch einen deutlich höheren Stellenwert genieße. „Hätten wir am Blotenberg Wald und keine Ackerfläche, würde keiner auf die Idee kommen, dort ein Baugebiet zu errichten“, kritisierte der Landwirt. Zum Abschluss seines Statements stellte Meyer zu Theenhausen den hohen Nutzwert des Ackerbodens in den Mittelpunkt, der erst mit steigendem Alter und nach intensiver Bewirtschaftung an Fruchtbarkeit gewinnen würde.

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