„Jeder da, wo sein Herz schlägt”

halleDieser Satz ist manchmal zu hören, wenn junge Menschen nach ihrem Verhältnis zu Kirche und Religion befragt werden. In Halle wird seit Jahren der praktische Gegenbeweis angetreten. 500 Besucher verfolgen regelmäßig den »anderen Gottesdienst«, mehrere hundert Kinder und Jugendliche sind im Sommer auf Freizeiten unterwegs, etwa 150 junge Menschen engagieren sich ehrenamtlich in unterschiedlichen sozialen Projekten. Was ist der Grund dafür, dass die »Junge Kirche« in Halle boomt? HK-Mitarbeiter Heiko Kaiser fragte Pfarrer Bernd Eimterbäumer.

Herr Eimterbäumer, wie ist so ein Erfolg zu erklären? Was haben Sie und ihre Mitstreiter besser gemacht als manch andere Gemeinden? BERND EIMTERBÄUMER: Man muss sich eben die grundsätzliche Frage stellen, ob man die Jugend in der Gemeinde haben will. Friedrich-Karl Völkner und Birgit Winterhoff haben das vor vielen Jahren klar bejaht. Vielleicht haben das nicht alle Gemeinden in dieser Deutlichkeit getan wie wir. Gehört dazu nicht mehr als eine Entscheidung? EIMTERBÄUMER: Natürlich. Es ist darüber hinaus wichtig, eine klare Vision zu haben. Ein Ziel, ein Bild davon, was man über das alltägliche Pensum von Frauenhilfe bis zu Konfirmandenunterricht hinaus erreichen will. Und was ist Ihre Vision? EIMTERBÄUMER: Mein Traum ist es, Menschen zu erreichen. Menschen, die der Gemeinde bislang ferngeblieben sind. Diesen Menschen wollen wir ein Angebot machen, das sie anspricht und sie eventuell veranlasst, sich ihren Gaben und Fähigkeiten entsprechend zu engagieren. Damit schließlich andere Menschen, die davon profitieren, sagen können: Wie gut, dass es die Kirchengemeinde gibt. Haben Sie Beispiele dafür? EIMTERBÄUMER: Der Besuchsdienst für ältere Menschen etwa oder die Helfenden Hände, unser Handwerkerteam, das bei kleineren Arbeiten Unterstützung leistet. Das Suppenküchenprojekt für die Menschen am Busbahnhof. Der Fahrdienst für geistig behinderte Menschen. Unsere Baufreizeit in Rumänien und vieles mehr. Auf der Internetseite der Kirchengemeinde haben wir insgesamt 30 unterschiedliche Bereiche aufgeführt. Da gibt es für jeden eine Möglichkeit, sich zu engagieren. Wie aber schaffen Sie es, gerade junge Menschen anzusprechen und zu begeistern? EIMTERBÄUMER: Da spielen die Norwegen-Freizeiten eine große Rolle. Die Jugendlichen erleben die Mitarbeiter auf diesen Fahrten. Sie erleben, wie engagiert und cool sie sind, wie viel Spaß dieses Engagement offensichtlich macht und sagen sich schließlich, so möchte ich auch sein. Ich will auch einmal Mitarbeiter werden. Also unterscheidet sich die Kirchengemeinde im Prinzip nicht von einem Sportverein oder einer Reisegesellschaft, wo ja die Leiter der Freizeiten ebenfalls oft zu Vorbildern werden? EIMTERBÄUMER: Natürlich steckt mehr dahinter. Denn die Mitarbeiter machen die Tätigkeit ja aus einer bestimmten Haltung, ihrem Glauben heraus. Und natürlich habe ich den Traum, dass die Jugendlichen den Glauben für sich entdecken. Im Übrigen, anders als bei RUF-Jugendreisen werden unsere Mitarbeiter nicht dafür bezahlt. Vorbilder sind das eine. Wie aber schaffen Sie es, die Jugendlichen für die Inhalte des Glaubens zu begeistern? EIMTERBÄUMER: Das ist natürlich nicht leicht. Denn viele sind zunächst begeistert, viele springen aber auch wieder ab. Wichtig ist es daher, den Jugendlichen klarzumachen, dass der Glaube ganz konkret etwas mit ihrem Leben zu tun hat. Und das wäre? EIMTERBÄUMER: Wir haben früher viel Bibelarbeit gemacht, fanden das sehr spannend. Aber es hat die Jugendlichen nicht wirklich erreicht. Heute holen wir sie in ihrer Lebenswirklichkeit ab, haben beispielsweise ein Seminar zum Thema Mobbing im Netz abgehalten. Das interessiert die Jugendlichen. Wenn wir dann thematische Parallelen in der Bibel aufzeigen, wie in diesem Fall, die Frau, die gesteinigt wurde, entdecken die Jugendlichen, dass die Bibel durchaus etwas mit ihrem Leben zu tun hat. Neben vielem Lob für ihre Arbeit gibt es auch einige kritische Stimmen, die sagen, Sie würden zu aggressiv, zu hartnäckig dazu auffordern, in der Gemeinde mitzuarbeiten. EIMTERBÄUMER: Ich denke gerade an einen jungen 18-jährigen Mann, der früher drogen- und tablettenabhängig war. Wir haben ihn zur Arbeitsfreizeit nach Rumänien mitgenommen. Heute ist er in Therapie, hat eine Lehrstelle gefunden. Wenn so ein Mensch es schafft, wieder Boden unter den Füßen zu bekommen, dann hat sich gelohnt, hartnäckig zu sein. Und außerdem, jeder ist doch frei zu sagen, ich habe es mir anders überlegt. Das tut mit dann weh, aber so ist eben die Realität. Die Jugendlichen kommen auch, weil sie vom Menschen Bernd Eimterbäumer fasziniert sind. Sehen Sie das auch so? EIMTERBÄUMER: Ach, ich sehe eher die vielen Schwächen, die ich habe. Friedrich-Karl Völkner oder Nicolai Hamilton beispielsweise haben viel mehr als ich die Gabe zu predigen oder die Menschen im Glauben weiterzubringen. Gott hat mir allerdings die Gabe geschenkt, auf Menschen zuzugehen, sie zu ermuntern. Dann sind Sie sozusagen der Außendienstmitarbeiter der Kirchengemeinde? EIMTERBÄUMER: Wenn sie so wollen (lacht). Aber genau das ist eine Stärke in unserer Gemeinde, einer der Gründe, warum wir erfolgreich sind. Jeder ist da tätig, wofür sein Herz schlägt. Was wünschen Sie sich? Welches Ziel ist für Sie Motivation, Ihren Weg weiterzugehen? EIMTERBÄUMER: Ein Pastor hat einmal gesagt, die Ortsgemeinde sei die Hoffnung für die Welt ist. Das sind große Worte. Aber es stimmt. Mein Traum ist es, dass die Liebe Gottes spürbar zu den Menschen kommt, dass Menschen in der Gemeinde wirkliche Hilfe bekommen. Und die Gemeinde, das sind nicht der Pastor, der Kantor oder der Organist. Die Gemeinde sind wir alle. Was Kirche darstellt in der Welt, liegt in unser aller Hand.

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