Die Künstlerin Veronica Petersdorf experimentiert mit bizarren Materialkombinationen
von ed rekate – Borgholzhausen. Die Piumer Künstlerin Veronica Petersdorf wagt und liebt kreative Entdeckungsreisen, die sie besonders gern in ihrem Atelier auf ihrem Anwesen im Ortsteil Winkelshütten unternimmt. Bewegte sich ihr erfolgreiches Frühwerk auf einem spielerisch-naiven, figürlichen Terrain, so erobern ihre aktuellen Kompositionen mit bizarren Materialkombinationen den unendlichen Kosmos der Abstraktion.
Die Liste ihres Künstlerbedarfs liest sich wie die »Smaragdene Tafel« der Alchemisten aus dem alten Ägypten. Veronica Petersdorf gestaltet ihre Bilder mit Asche aus dem eigenen Kachelofen, mit Erde aus ihrem Garten, integriert Farbpigmente sowie Metallstaub, Ton oder Silberfolie. Ihre abstrakten Collagen, für die sie auch feine Acrylfarben, in Sütterlin handgeschriebene Original-Briefe und bedrucktes Zeitungspapier verwendet, erhalten durch strukturgebende Materialien und spezielle Mal- und Auftragstechniken eine frische, individuelle Bildsprache.
„Ich hatte immer zur richtigen Zeit die richtige Technik“, freut sich die Künstlerin über ihren hart erarbeiteten, kontinuierlichen Erfolg. Einer ihrer großen Verkaufsschlager waren die dreidimensionalen Reliefbilder, die bäuerliches Leben im Ravensberger Land in leuchtenden Ölfarben widerspiegeln. Nachdem ihre 3-D-Darstellungen, die für den Betrachter förmlich aus dem Rahmen springen und über deren Herstellungsverfahren die Künstlerin bis heute Stillschweigen bewahrt, in der Galerie »Mensch« in Hamburg auf internationales Kaufinteresse stießen, schrieb die überregionale Tageszeitung »Die Welt« in ihrem Kulturteil am 27. Januar 1982:
Reliefbilder mit ländlichen Szenen
„In eine ganz andere Welt des Rustikalen und Genrehaften führen die bunten Reliefbilder der Veronica Petersdorf auf denen ländliche Szenen auf humorige Weise plastisch greifbar geschildert werden.“ Und der Piumer Maler Walter Kroemmelbein lobte sie: „Wenn man die Vielfalt sieht, muss man davon ausgehen, dass hier längst der Rahmen einer »Nur-Hobbykünstlerin « gesprengt wird. Immer wieder versucht sie Menschen darzustellen, die sie in der Verbindung zu ihrer Umwelt oder zu anderen Menschen setzt. Oft ist es eine Zweierbeziehung, die in irgendeiner Form zum Ausdruck kommt. Gedeckte, müde Farben geben den Bildern einen melancholischen Reiz.“
Angefangen hatte alles 1961, als das 19-jährige ambitionierte Au-pair-Mädchen Veronica Petersdorf Salzteig-Rezepte aus Griechenland nach Ostwestfalen importierte und ihre modellierenden Fähigkeiten entdeckte. Nach ihrer Ausbildung zur Arzthelferin studierte sie bis 1970 Aufbaukeramik an der Uni Bielefeld bei Professor Sommer. 1973 wurde sie Kunstlehrerin an der Pflegevorschule in Halle und 1975 Dozentin für Bildgestaltung, Glasmalerei und Keramik an der VHS Ravensberg. Mit ihrem Umzug nach Borgholzhausen im Jahre 1978 beschleunigte sich die Karriere der alleinerziehenden Mutter zweier Kinder, die zu Beginn der 80er Jahre steinzeitliche Gewichtswebstühle für das archäologische Freilichtmuseum in Oerlinghausen rekonstruierte und ab 1987 die Seniorentagesstätte im DRKHeim Haus Ravensberg leitete.
Die multitalentierte Autodidaktin zeichnete viel und intensivierte neben anderen Techniken die Fliesen- und Seidenmalerei. Sie gestaltete zudem bunt lasierte Keramikfiguren für den In- und Outdoorbereich und designte die legendären büchertragenden Mädchen, die auch auf Vorleseabenden bei der Buchhändlerin Gesine Klack reißenden Absatz fanden.
Erste Ausstellungen seit 1975
Ihre ersten Ausstellungen fanden 1975 in der Kreissparkasse Halle, 1977 in der Galerie et in Versmold und 1978 im Gemeindehaus Hörste statt. Unter Bürgermeister Bernhard Huesmann präsentierte Petersdorf im Sommer 1986 als allererste Künstlerin ihr Oeuvre in der Piumer Rathausgalerie in einer Einzelausstellung und nahm danach regelmäßig an den im Dezember desselben Jahres erstmals installierten Mitgliederausstellungen des Kulturvereins teil. Der Zufall erlaubte es, dass sie an ihrem 60. Geburtstag im Mai 2002 mit ihren Bildern die erste Vernissage im frisch renovierten Heimathaus eröffnete.
Im Sommer 2010 gründete Veronica Petersdorf, die mit ihren aktuellen Aschebildern in die »Graue Phase« eingetreten ist, eine experimentelle Malschule. Sie bietet bei schönem Wetter Wochenendkurse für maximal vier Schüler an, die während des dreitägigen Seminars im Domizil an der Meller Straße 7 Quartier beziehen und essenzielle Mischtechniken erlernen möchten. „Die Zeiten gehen weiter. Man kann heute nicht mehr naiv malen, man geht in die Abstraktion“, wirbt die erfahrene Meisterin, die selbst mit kunterbunten Materialien perfekt umzugehen versteht.