Rainer Schüttler im Interview: „Gerry Weber Open sind optimal für jeden Profi“
HalleWestfalen. Rainer Schüttler (37) zählt zu den erfolgreichsten deutschen Tennisspielern der letzten anderthalb Jahrzehnte. Der aus dem nordhessischen Korbach stammende Ex-Profi gewann vier ATP-Titel, rückte in der Weltrangliste bis auf Platz fünf vor und erreichte 2003 das Endspiel der Australian Open. In jenem Jahr qualifizierte er sich auch für die ATP-WM in Houston und kam bis ins Halbfinale. Schüttler beendete seine Karriere im vergangenen Herbst und machte dann Schlagzeilen, als er gemeinsam mit Ion Tiriac die Lizenz für das Düsseldorfer ATP-Turnier erwarb. Bei den GERRY WEBER OPEN war Schüttler zehn Mal am Start, sein bestes Ergebnis war 2004 das Erreichen des Halbfinales.
Herr Schüttler, was machen Sie eigentlich bei den Gerry Weber Open 2013.
Rainer Schüttler: „Ich kenne das Turnier über die Jahre so gut, dass ich weiß: Ich kann hier immer etwas mitnehmen für meine eigene Arbeit in Düsseldorf. Die Gerry Weber Open sind einfach gut organisiert, haben eine so starke Infrastruktur, dass man da Anregungen und Impulse findet. Also, da bin ich der professionelle Beobachter, das ist eine Aufgabe aus dem Managementbereich. Aushilfsweise kümmere ich mich auch noch um Philipp Petzschner hier, wobei wir da ja nicht gerade vom Glück verfolgt waren.“
Als jemand, der das Turnier als Spieler kennt und es nun als Turniermanager eines anderen Wettbewerbs sieht: Was charakterisiert die Gerry Weber Open.
Rainer Schüttler: „Die Anlage hier ist ja der reinste Wahnsinn. Diese Dimensionen, diese Weitläufigkeit. Dagegen ist Düsseldorf vergleichsweise klein und übersichtlich, erweitern können wir da auch nicht wegen des Naturschutzes. Hier hast du das Hotel nebenan, alles ist einfacher für die Spieler, du fällst aus dem Zimmer praktisch auf den Court. Das ist optimal für jeden Profi. Aber ich sehe eben auch das große Unterhaltungsprogramm für die Zuschauer, das Angebot für Familien, etwa der Kletterturm für die Kids. So sollte ein moderner Event-Service auch aussehen, die Eltern können sich Tennis anschauen, die Kinder, wenn sie es nicht wollen, kriegen eine eigene Betreuung. Dann kaufen die Leute auch Tickets.“
Sie kennen es selbst aus Ihren Profizeiten. Man kommt aus Paris, von den French Open, nach Halle, taucht in eine andere Tenniswelt ein.
Rainer Schüttler: „Und zwar in eine schöne Tenniswelt. Man hat seine Ruhe, kann sich entspannen, ganz abgeschirmt das Turnier durchziehen. Innerhalb von zwei Minuten ist man im Wald, kann dort seine Läufe machen. Paris mit seinen gefühlt fünf Millionen Autos und zig Millionen Menschen, da stehst du immer unter Strom. Hier ist es erst einmal ein großes Durchatmen, aber auch ein Turnier, wo du einfach gut spielen willst. Weil du dich so wohlfühlst.“
Wie waren denn Ihre ersten Erfahrungen als Turniermanager und -gestalter.
Rainer Schüttler: „Es war sehr interessant und lehrreich. Ich hatte die ganze Sache ja gar nicht geplant. Mein Anspruch war, alles von A bis Z zu erfahren, jedes Detail zu kennen. Man ist dann überrascht, wie unglaublich viel Arbeit hinter einem solchen Turnier steckt. Man muss einfach alles im Auge haben, das geht von den richtigen Blumentöpfen über Starkstromversorgung bis zur Parkplatzsituation. Tausend Dinge, die richtig laufen und funktionieren müssen. Als Spieler kommst du an, beziehst dein Hotelzimmer, nimmst deine Shuttles, bekommst dein Essen – du denkst einfach, das läuft alles so. Was dafür alles geleistet werden muss, kriegst du gar nicht mit. Und am Ende fragst du noch: Warum kriege ich jetzt nicht neue Bälle?“
Als Tennisspieler galten Sie immer als Perfektionist, als jemand, der seine Möglichkeiten optimal ausschöpfen will. Kommt Ihnen dieser Charakterzug jetzt zugute.
Rainer Schüttler: „Natürlich. Ich bin jemand, der weiß, dass kleine Details eine große Wirkung haben können. Positiv wie negativ. Deshalb laufe ich auch mit einem gewissen Röntgenblick über die Anlage, schaue auf jede Kleinigkeit. Und registriere, was verbessert werden kann. Ich habe auch ein ganz gutes Feedback bekommen bisher.“
Die Gerry Weber Open waren immer eine Art Heimspiel im Tennisbetrieb. Korbach, Ihre Heimatstadt, liegt nur 130 Kilometer entfernt.
Rainer Schüttler: „Es war ja wie eine große Familienzusammenführung hier. Die deutsche Tennisfamilie, aber eben auch meine eigene Familie. Die habe ich nach vielen Wochen des Herumreisens hier oft das erste Mal wiedergesehen. Die Eltern, meine Schwester, Cousinen. Deshalb habe ich auch so schöne Erinnerungen an die Gerry Weber Open. Ich hätte natürlich auch gerne mal gewonnen hier.“
Was sagen Sie eigentlich zum Comeback Ihres Generationskollegen Tommy Haas.
Rainer Schüttler: „Mit einem Wort: unglaublich. Er hat es verdient, weil er ein toller Spieler ist. Und weil er so viele Jahre dieses Pech hatte, vier, fünf Jahre mit Verletzungen. Er wirkt irgendwie relaxed jetzt, auch mit der Familie hinter sich. Er strahlt eine große Zufriedenheit aus, auch wegen seines persönlichen Glücks. Er wird sicher noch zwei Jahre auf hohem Niveau spielen können.“
Wie sieht der Alltag von Rainer Schüttler aus, wenn er sich nicht um sein eigenes Turnier kümmert und auch keine Aushilfsjobs als Trainer übernimmt.
Rainer Schüttler: „Ich verwalte meine eigenen Immobilien, das habe ich auch schon in den letzten Profijahren gemacht. Und ich steige so langsam auch ins Spielermanagement ein. Da ist mir in beiden Bereichen mein langjähriger Trainer Dirk Hordorff eine große Hilfe. Die Trainerjobs sind aber nur Ausnahmen, Freundschaftsdienste. Insgesamt bin ich jetzt mehr beschäftigt als in meiner Profizeit.“