Satz des angeklagten lässt aufhorchen
VON PATRICK MENZEL – Gütersloh. Es ist nur ein unscheinbarer Satz am neunten Verhandlungstag im Prozess um den Doppelmord an Helgard G. (74) und Hartmut S. (77), aber er hat eine enorme Sprengkraft: „Wenn ich könnte wie ich wollte, dann würde ich sprudeln wie ein Wasserfall“, soll der aus Versmold stammende Angeklagte Jens S. (29) vor oder unmittelbar nach einem gemeinsamen Gottesdienstbesuch am Vormittag des ersten Weihnachtsfeiertages zu seinem Bekannten Josef S. (52) gesagt haben.
Ein Satz, den ein langjähriger Freund der getöteten Ärztin und ihres Bruders in einem Gespräch mit Josef S. vernommen haben will; und der nicht nur die Vorsitzende Richterin Jutta Albert hellhörig werden ließ, sondern auch bei Staatsanwalt Christoph Mackel großes Interesse weckte.
Denn sollte sich der Satz tatsächlich auf den Doppelmord bezogen haben, hätten der Angeklagte und Josef S. bereits vor dem Auffinden der Leichen (am Mittag des ersten Weihnachtsfeiertages) über die Bluttat gesprochen. Dies würde die Vermutung des Staatsanwaltes stützen, wonach Josef S. etwas mit der Tat zu tun oder zumindest von den Absichten des Angeklagten gewusst haben könnte.
Nach mehrfacher Nachfrage aller drei Berufsrichter der X. Großen Strafkammer, wann sein Gespräch mit Josef S. stattgefunden habe, gab der Zeuge einen vagen Zeitraum von „einigen Wochen vor der Verhaftung von Jens S.“ an. Damit dürfte Josef S. den 29-Jährigen bereits als Verdächtigen ins Spiel gebracht haben, noch bevor dieser überhaupt ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten ist.
Sowohl Albert als auch Mackel wunderten sich darüber, warum der Zeuge die Aussage von Josef S. nicht der Polizei mitgeteilt hat. Albert: „Ich habe langsam das ganz blöde Gefühl, dass Sie hier Personen schützen wollen.“
Umso auskunftsfreudiger gab sich der Zeuge, als es um die geschäftliche Beziehung des getöteten Studienrates zu einem Gütersloher Unternehmer ging. Nach Worten des Zeugen hatte Hartmut S. etwa 50 000 bis 100 000 Euro in die inzwischen insolvente Medienpool GmbH investiert. Auch er habe überlegt, als Programmierer in das Unternehmen einzusteigen, sei dann aber immer skeptischer geworden und habe die Beziehung zwischen Hartmut S. und dem Geschäftsführer genauer hinterfragt, sagte der gelernte Offsetdrucker. Letztlich habe sich der „große Mensch in der Medienbearbeitung“ als „großer Showmaker mit nichts dahinter“ herausgestellt, so der 72-Jährige. Davor habe er Hartmut S. und Helgard G. gewarnt. Auch habe er Erbin Sibylle G. geraten, sich nicht mit dem Geschäftspartner ihres getöteten Onkels einzulassen.
Von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte indessen der Schwager des Angeklagten.
Für den übernächsten Verhandlungstag am 18. November kündigt die Vorsitzende die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung an. Ob es bei diesem Termin bleibt, ist angesichts einiger angekündigter Beweisanträge der Verteidigung allerdings fraglich.